Wie bereits in einigen vorherigen Blog Einträgen erwähnt, möchte ich noch etwas über meine Erfahrungen
in den indischen Krankenhäusern berichten.
Um wenigstens einen kleinen Einblick in
das indische Gesundheits- und Pflegesystem zu geben, werde ich ein
paar Fakten und Erlebnisse darlegen, leider kann ich nicht alles aus
meiner sehr aufregenden und spannenden Zeit erzählen.
In Deutschland habe ich vor circa zweieinhalb Jahren meine Ausbildung zur Krankenschwester abgeschlossen.
Ich war wahnsinnig gespannt, was mich
wohl in einem indischen Krankenhaus erwarten wird.
Wie wird sich die Arbeit und die
Aufgaben der indischen Krankenschwestern von unserer unterscheiden?
Was macht in einem Land wie Indien die
Pflege aus?
Was für ein Verständnis von Pflege
und vom Umgang mit dem Patienten haben die indischen
Krankenschwestern?
Gibt es Standards und Vorschriften wie
bei uns?
Was für eine medizinische Ausstattung
werde ich in einem indischen Krankenhaus vorfinden?
All diese und noch viel weitere Fragen habe ich mir gestellt, bevor ich meinen Dienst angetreten habe!
Die Antworten darauf sollte ich
ziemlich schnell bekommen!
Nun aber zuerst ein paar Worte zu dem deutschen Verständnis von Pflege.
In meiner Ausbildung habe ich gelernt,
den Menschen ganzheitlich zu sehen, mit allem was dazu gehört. Es
steht nicht nur die Krankheit, wegen der der Patient im
Krankenhaus ist, sondern seine ganze Persönlichkeit im Mittelpunkt.
Unsere Aufgaben umfassen die
Unterstützung des Patienten in den verschiedensten Tätigkeiten des
alltäglichen Lebens.
Wir waschen die Menschen, helfen ihnen
beim Ankleiden, beim Essen, beim Laufen, einfach bei allem, wozu sie
Hilfe benötigen.
Natürlich unterstützen wir auch die
medizinische Therapie.
Während meines Einsatzes hier in
Indien durfte ich in zwei verschiedenen Krankenhäusern arbeiten.
Die erste Hälfte habe ich in Bobbili, in einem von Schwestern
geführten, privaten Krankenhaus verbracht, die zweite Hälfte
durfte ich im government hospital von Parvathipuram mithelfen.
Beide hospitals waren sehr interessant
und ich konnte sehr viel sehen und lernen!
Das private Krankenhaus verfügt über etwa 20
Betten und in der Regensaison kamen jeden Tag mindestens vier bis fünf
neue Malaria Fälle. Ich hab vor allem die Behandlung der Malaria und
einige chirurgische Versorgungen mitbekommen.
Ebenso kamen einige Frauen, um ihr Kind
auf die Welt zu bringen.
Die frisch geborenen Babys durfte ich
dann immer nach indischer Tradition baden, einölen und ganz dick
einpudern!
In diesem Krankenhaus muss jeder Patient für seine Behandlung selbst bezahlen, dafür dürfen die Frauen nach der
Geburt allerdings noch ein paar Tage im Haus verbringen. Hier gab es
auch die Möglichkeit ein Einzelzimmer zu nehmen, was natürlich mehr
gekostet hat.
Im government hospital war ich
ausschließlich im Kreißsaal tätig. Ich durfte die Hebammen bei den
Geburten unterstützen und mich anschließend um die Babys kümmern.
Täglich kamen bis zu acht Frauen um
zu entbinden. Somit war immer etwas los, der Kreißsaal ist sogar mit
zwei Liegen ausgestattet, so dass zwei Frauen gleichzeitig gebären
können...was manchmal auch durchaus der Fall war.
Die Behandlung ist komplett kostenlos,
ebenso die Medikamente, alles wird von der Regierung bezahlt. Allerdings werden die Frauen bereits zwölf bis
24 Stunden nach der Geburt entlassen.
In diesem Krankenhaus gibt es insgesamt 100
Betten für 200 Patienten, jedes Bett wird also doppelt belegt. Die Patienten sind in Zimmern mit insgesamt 20 Betten untergebracht und teilen sich
alle eine Toilette. Meistens liegen Patienten mit ansteckenden Krankheiten
direkt nebeneinander, so kann es schon mal vorkommen, dass man auf
Grund von Malaria ins Krankenhaus geht und es mit Tuberkulose wieder verlässt (Tuberkulose ist eine der häufigsten
Krankheiten in Indien).
In meinem ganzen Einsatz habe ich
insgesamt 15 Geburten, davon zwei Kaiserschnitte, drei Abtreibungen,
etliche Malaria Behandlungen, Verbrennungen und noch vieles mehr
gesehen.
Die Arbeit und das Vertrauen, welches
mir von den Krankenschwestern entgegengebracht wurde, waren für mich
eine wunderschöne Erfahrung und es hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Dennoch schwankten meine Gefühle
während der Arbeit häufig zwischen Verzweiflung, Ekel, Trauer und
Wut hin und her.
Die hygienischen Zustände in beiden
Häusern waren katastrophal!
Es gab nicht genug Handschuhe, im
private hospital wurden diese sowieso nur für die Operationen
verwendet, alles andere musste ohne gehen, auch wenn man mit Blut in
Kontakt gekommen ist. Die Händedesinfektion ist ihnen leider
auch nicht bekannt.
Im government hospial gab es allerdings eine Seife, die sich alle im Dienst Anwesenden geteilt haben. Manchmal war diese aber auch aufgebraucht.
Im government hospial gab es allerdings eine Seife, die sich alle im Dienst Anwesenden geteilt haben. Manchmal war diese aber auch aufgebraucht.
Natürlich wusste ich schon vorher,
dass vor allem die hygienischen Zustände sehr schlimm sein werden,
aber dieses Ausmaß hätte ich nicht erwartet.
Das Operationsbesteck wurde
beispielsweise nicht sterilisiert oder wenigstens desinfiziert sondern einfach nur mit ganz
normalem Wasser abgewaschen, Instrumente, die bei einer Geburt
verwendet wurden, wurden blutverschmiert zur nächsten Geburt weiter
gereicht. Geputzt wurde auch eher selten und unregelmäßig.
In Deutschland gibt es etliche
Standards und Vorschriften darüber wie man beispielsweise einen Blasenkatheter legt. Hier macht man einfach kurzen Prozess und legt diesen ohne
Desinfektion und Handschuhe.
Aber es funktioniert scheinbar! Ich habe kaum
etwas von Komplikationen mitbekommen, was natürlich auch daran
liegen kann, dass die Patienten nicht so lange wie bei uns im Krankenhaus
bleiben und wir somit die Komplikationen nicht mitbekamen.
Die Hauptarbeit der indischen
Krankenschwestern besteht in der Ausführung der medizinischen
Anordnungen. Die richtige Pflege des Patienten wird von dessen
Angehörigen übernommen. Diese müssen sich um das Waschen, Anziehen, den Toilettengang und im privat hospital auch um das Essen
kümmern. Ohne Angehörige ist es hier in Indien nicht möglich ein
Krankenhaus aufzusuchen. Jeder Patient bringt somit mindestens zwei bis drei
Verwandte mit, die natürlich auch im oder vor dem Krankenhaus übernachten.
Auch die Beziehung zu den Patienten ist eine
ganz andere als in Deutschland. Ich bin manchmal über den Umgangston sehr
erschrocken. Die Patienten oder auch die Angehörigen sind einfach nur die
Empfänger von Anweisungen.
Das Verständnis von Pflege ist ein
komplett anderes.
Dennoch bin ich sehr froh, diese
Einblicke bekommen zu haben! Ich habe so unglaublich viel gesehen,
gelernt und mitgenommen von diesem Einsatz, am meisten aber bin ich
dankbar für die ganzen Dinge und Möglichkeiten, die uns in Deutschland zur Verfügung
stehen.
Bei uns müsste nie ein 750 Gramm schweres Frühgeborenes entlassen werden, weil wir keinen Brutkasten zur Verfügung haben.
Bei uns müsste nie ein 750 Gramm schweres Frühgeborenes entlassen werden, weil wir keinen Brutkasten zur Verfügung haben.
Bei uns muss man die Handschuhe nach
dem Tragen nicht sammeln, um sie zu waschen und dann anschließend
wieder zu verwenden.
Bei uns müssen sich die Menschen ohne
Angehörige keine Gedanken machen, wie sie einen
Krankenhausaufenthalt meistern können.
Wir haben alles und noch mehr, wir
leben in einem Überfluss und sollten wirklich sehr dankbar dafür
sein.
Ich bin es auf jeden Fall!
Steffi
Die typische Neugeborenenversorgung im private hospital.
Der Kreißsaal im private hospital.
Der Staff von Bobbili.
Der Kreißsaal im government hospital.
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